Windgas marsch!

Die Windräder des Stadtwerks Haßfurt erzeugen mehr erneuerbare Energie, als die Kund*innen verbrauchen. Ein bislang einzigartiges System wandelt den überschüssigen Ökostrom in grünen Wasserstoff – und macht ihn damit langfristig speicherbar.

Platz für „Wasserstoff-Macher“: Markus Eichhorn ist Technischer Leiter für Gas, Wasser und Wärme beim Stadtwerk Haßfurt und das erste Gesicht der Kampagne „Platz für Wasserstoff“.

Platz für „Wasserstoff-Macher“: Markus Eichhorn ist Technischer Leiter für Gas, Wasser und Wärme beim Stadtwerk Haßfurt und das erste Gesicht der Kampagne „Platz für Wasserstoff“.

Wie ein Kunstwerk schlängeln sich die mächtigen, leuchtend gelben Rohre durch den Raum. Ein monotones Brummen füllt die Stille. Was sich hier, im unterfränkischen Haßfurt hinter dunkelrot lackierten Metalltüren verbirgt, ist Teil modernster Energieversorgung.

Die 13.000-Einwohner-Stadt im Landkreis Haßberge ist ein Vorreiter bei erneuerbaren Energien. Der Großteil der lokal erzeugten Energie stammt aus einem nahe gelegenen Bürgerwindpark sowie weiteren Windkraft- und Solaranlagen. Zusammen liefern "die Erneuerbaren" deutlich mehr Strom, als die Haushalte im Stadtgebiet verbrauchen.

Im Oktober 2016 ging am hiesigen Mainhafen die bayernweit erste Power-to-Gas-Anlage ans Netz. Für die Region und ihren Betreiber, das Stadtwerk Haßfurt, ist das vor Ort produzierte "Windgas" längst zu einem Aushängeschild geworden.

Der Elektrolyseur des Stadtwerks Haßfurt erbringt eine Spitzenleistung von 1,25 Megawatt – etwa so viel wie 1250 Wasserkocher.

Der Elektrolyseur des Stadtwerks Haßfurt erbringt eine Spitzenleistung von 1,25 Megawatt – etwa so viel wie 1250 Wasserkocher.

Reserve in unsteten Zeiten

Das öffentliche Interesse an dem mit dem Bayerischen Energiepreis ausgezeichneten Vorzeigeprojekt reicht weit über die Grenzen von Stadt und Landkreis hinaus. Neulich sei ein Fernsehteam aus Südkorea zum Dreh angereist, berichtet Geschäftsführer Norbert Zösch.

Was die hochmoderne Anlage so besonders macht: Sie ist die bisher einzige ihrer Art in der Wasserstoff-Metropolregion Nürnberg. Ein containergroßer, reaktionsschneller PEM-Elektrolyseur (PEM = Proton Exchange Membrane, Protonenaustauschmembran) wandelt den überschüssigen Wind- und Solarstrom per Elektrolyse in Wasserstoff um und stabilisiert gleichzeitig das Stromnetz. Der so gewonnene reine Wasserstoff wird je nach Bedarf direkt ins Gasnetz eingespeist – oder als Reserve in einem Spezialtank gespeichert.

"Unser Elektrolyseur gewährleistet auch bei einem hohen Anteil erneuerbarer Energien Versorgungssicherheit. Durch die Möglichkeit, Wasserstoff langfristig zu speichern, können auch Phasen von bis zu drei Wochen ohne Wind und Sonnenschein überbrückt werden", erklärt Zösch.

Bei der sogenannten Elektrolyse werden Wassermoleküle (H₂O) unter Zufuhr von elektrischem Strom in Sauerstoff- (O) und Wasserstoffatome (H) gespalten. Das Verfahren gilt als klimaneutral, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien stammt.

Emissionsfreie Energie für Hunderte Haushalte

Markus Eichhorn bei der Arbeit an der Einspeiseanlage.

Markus Eichhorn bei der Arbeit an der Einspeiseanlage.

Dafür verantwortlich, dass die Anlage funktioniert, wie sie soll, ist Markus Eichhorn. Der Technische Leiter für Gas, Wasser und Wärme überprüft alle Komponenten, zu denen auch die Wasseraufbereitung und Einspeiseanlage zählen, regelmäßig. Letztere befindet sich in einem kleinen Nebenraum, der mit seinen markanten roten Stahltüren an die deutlich größere Halle mit dem Elektrolyseur angrenzt. "Pro Jahr speisen wir rund eine Million Kilowattstunden grünen Wasserstoff ins Gasnetz ein. Das reicht aus, um rund 200 Vier-Personen-Haushalte ein Jahr lang komplett mit Energie zu versorgen", sagt der 38-Jährige.

Um die Importabhängigkeit von fossilem Erdgas zu reduzieren, sei ein schneller Hochlauf der Wasserstoffproduktion unabdingbar. "Die Erzeugung von über 200 Prozent erneuerbarer Energie im Versorgungsgebiet der Stadtwerk Haßfurt GmbH ist in diesem Zusammenhang ein Standortvorteil", ergänzt Geschäftsführer Zösch.

Die Wasseraufbereitungsanlage entmineralisiert das Wasser für die Elektrolyse. Dies ist notwendig, um Salzablagerungen auf Elektroden und Membranen des Elektrolyseurs zu verhindern, welche die Leistung beeinträchtigen würden.

Die Wasseraufbereitungsanlage entmineralisiert das Wasser für die Elektrolyse. Dies ist notwendig, um Salzablagerungen auf Elektroden und Membranen des Elektrolyseurs zu verhindern, welche die Leistung beeinträchtigen würden.

Weitere Wasserstoff-Projekte in Planung

Neben dem Elektrolyseur komplettiert seit 2019 ein innovatives Wasserstoff-Blockheizkraftwerk (BHKW) die Gesamtanlage. Über das BHKW lässt sich der gespeicherte Wasserstoff wieder rückverstromen. Die Abwärme, die dabei entsteht, wird zukünftig zur Beheizung einer naheliegenden Schule genutzt und geht anteilig an die benachbarte Mälzerei.

Dass Norbert Zösch und Markus Eichhorn mehr als reine "Wasserstoff-Macher" sind, zeigen weitere Projekte, in denen das Stadtwerk Haßfurt die Zukunft der Energie erforscht und mitgestaltet: die Herstellung von grünem Methanol, der Praxisbetrieb einer Wasserstoffwärmepumpe, Brennstoffzellen im Einsatz sowie der Test einer Wasserstoff-Mikrogasturbine.


Viele weitere Informationen rund um das Stadtwerk Haßfurt finden Sie unter www.stwhas.de.